Presse - Lotar Martin Kamm
Rhein-Zeitung, Koblenz, 30. Januar 1992

Holz am Puls der Zeit
Bilder, Skulpturen und Leuchtobjekte im Mendiger Caféhaus

MENDIG. Doris Mock-Kamm und Lotar Martin Kamm, beide Jahrgang 1957, zeigen zur Zeit einige ihrer Arbeiten im Mendiger Caféhaus.
"Ist es nicht die Natur, die uns ihre unendliche Form- und Farbgebung offenbart?" Diese Frage stellt sich Lotar Martin Kamm, und die darin enthaltene Aussage wörtlich nehmend, verarbeitet er gerne "Gewachsenes" seiner organischen Natur entsprechend in seinen Werken.
Holz zum Beispiel ist ihm, der 1983 seinen Abschluß als Möbeltischler machte und jetzt als Bühnentischler am Schloßtheater Neuwied arbeitet, ein vertrautes Material. In seinen Holzbildern, die er aus verschiedenfarbigen Holzarten gestaltet, kommen sowohl abstrakte wie auch realistische Tendenzen zum Ausdruck.
"Momentan zentriert" heißt eines dieser Bilder, in dem geometrische Körper in perspektivischem Aufbau sich auf einen bestimmten Punkt zentrieren.
"Fruchtbarkeitsliebeszentrumsbereitschaftsdienst" nennt er eine Bildkomposition, die im wesentlichen den Umriß eines weiblichen Torsos zeigt.
Bei den Leuchtbildern, beziehungsweise Tischlampen benutzt Kamm hauchdünne verschiedenfarbige Holzfurniere, die er zunächst auf Glas aufklebt, um dann damit bildartige Objekte zu konstruieren. Diese transparenten Holzbilder werden durch eine im Hintergrund angebrachte Lichtquelle zum Leuchten gebracht.
Kleinformatige, skurrile Holzfiguren, die Kamm als "Freiheitsstattstatue", "Metamorph" oder als "Gedanken ... zu Antonio Gaudi" bezeichnet, regen zum Nachdenken an, lassen aber auch die Frage wachwerden: Wieso?
Die zeitkritische Tendenz im Werk von Doris Mock-Kamm ist vielleicht eines seiner wichtigsten Merkmale. Es sind schwarze, skelettartige Strukturen, die der Betrachter zunächst an ihrem Objekt "Splitterungen" wahrnimmt.
Aus der Nähe betrachtet, erkennt man, daß Mock-Kamm zerrissene schwarze Nylonstrümpfe auf weißem Untergrund montiert hat. Dieses Bild setzt Gefühle frei, weckt Assoziationen, die nicht zuletzt auch durch den Titel "Splitterungen", in dem die Worte "Splitter" und "Erinnerungen" enthalten sind, Bestätigung finden.
Ein weiteres größeres Objekt dieser Künstlerin trägt den Titel "Ich habe Zeit totgeschlagen". Auf einer kalkweißen, einem Paravent ähnlichen Wand drapierte sie, eine dort winzig wirkende Damenarmbanduhr. "Die Zeit", so sagte dazu Mock-Kamm, "ist erbarmungslos, und wir sollten uns von ihr nicht überrollen lassen. Sie sollte totgeschlagen werden, um eine Atempause, um eine Art Stillstand herbeizuführen, der Zeit zur Muße zuläßt." Pastell-Bilder im konstruktiven Stil und flauschig-weiche Haar-Bilder sind als weitere Werke von Doris Mock-Kamm im Caféhaus zu sehen.
Zur Biografie der beiden Künstler wäre noch anzumerken, daß sie im ehemaligen Bahnhof von Willmenrod, Westerwald, leben und arbeiten, und daß Doris Mock-Kamm im vergangenen Jahr den Kunstverein Westerburg e.V. gründete, mit dem sie bisher Ausstellungen in Hachenburg und im Kunsthaus Wiesbaden organisierte.